Lidl


Am 14.10.2010 erledigten wir unseren Einkauf in einem Discounter.
Nichts Ungewöhnliches, denkst du?
Doch, denn an diesem Tag verließen wir das Geschäft nicht nur mit gefüllten Körben, sondern auch mit einer Handvoll Kater.
Niemand hatte mitbekommen, wie er in den Laden gekommen war, aber alle waren sich einig, dass er diesen schnell wieder verlassen musste.
Wir waren auf der Stelle schockverliebt und haben ihn, nach ein paar schnell verworfenen Bedenken, erstmal mit zu uns genommen.
Nach ein paar Tagen stellte sich heraus, dass ihn niemand vermisste oder zurück wollte.
 
Seinen Pfoten Abdruck findest du in meinen Romanen.

Seine Sichtweise auf unser Kennenlernen schildert er dir gerne persönlich:


Mein Name ist Lidl, wehe du lachst. Ich bin ein europäischer Kurzhaar-Kater und möchte dir gerne aus meinem Leben erzählen. Ich weiß, du hast gelacht, seufz. Also fange ich erst mal damit an, wie ich zu meinem Namen kam.

Der Lärm der großen bunten Kisten machte mir Angst, aber ich ließ sie mir nicht anmerken. Selbstbewusst, mit aufgerichtetem Schwanz lief ich an der Straße entlang. Mama hatte mir gesagt, ich sollte vor diesen Autos in Deckung gehen, sie wären gefährlich für Katzen. Schutz vor diesen Krachmachern sollte ich mir ausgerechnet unter denen suchen, die lautlos am Straßenrand standen; richtig verstanden habe ich das nicht. Mir waren die Hecken, die an den Bürgersteig grenzten, lieber. Nur die nicht, an denen an der anderen Seite ein Köter patrouillierte. Himmel, diese sabbernden Viecher können feuchte Pfoten verursachen. Auch vor denen hatte meine Mutter mich gewarnt. Mama, wie gerne hätte ich mich an sie gekuschelt und ihre raue Zunge gespürt. Einfach ihre Wärme genossen und Geborgenheit gefühlt. Alles war in Ordnung, bis zu dem Tag, als sie mich aufforderte, mir ein neues Zuhause zu suchen.
„Du bist was Besonderes mein Kleiner, zu schade als einer von vielen hier auf dem Hof. Geh, finde eine Familie. Die Menschen lieben Katzen.“
„Ich bleibe hier.“ Schnurrend drückte ich meinen kleinen Körper an ihren.
Mama hatte ihren Kopf geschüttelt und war von mir abgerückt. „Jeder von uns muss seine Kinderstube verlassen.“ Sie erzählte mir von den Menschen, sie nannte sie Dosenöffner, und von den warmen Stuben, in die ich mich an kalten Tagen zurückziehen könnte.
 
Mit diesen Gedanken stolzierte ich an der Straße entlang. Keine Ahnung, wie lange ich schon unterwegs war. Die Kälte zog mir durch mein Fell, das Knurren aus meinem Magen bestätigte mir, ich hatte Hunger.
Zitternd erreichte ich einen großen Platz. Er war gefüllt mit bunten Kisten. Alle schön nebeneinander, wie die Kühe im Stall. Am Ende des Platzes war ein Haus aus Glas.
Unter einem Strauch versteckt beobachtete ich das Treiben. Vor lauter Aufregung zuckten meine Ohren hin und her. Meine Schnurrhaare vibrierten, ich konnte meine Neugierde nicht zügeln und folgte einem Menschen in den Glaskasten. Geduckt suchte ich mir Schutz unter den Regalen. Meine Nase nahm eine Fährte auf, ich schleckte mir mit der Zunge über das Maul. Das roch köstlich. Vorsichtig folgte ich dem Duft und erreichte das Objekt der Begierde. Meine Pfoten versuchten es heranzuziehen, ich musste mich mächtig strecken. Ohne Vorwarnung fühlte ich eine Hand unter meinem Bauch; ich hob ab. Mist, ich hatte alle Vorsicht vergessen. Meine Versuche zu kratzen endeten damit, dass der Griff fester wurde.
„Na, was machst du hier?“ Die Stimme war sanft und freundlich. Der Griff lockerte sich, eine zweite Hand kraulte mir die Ohren. Das tat gut. Unsicher, ob ich die Liebkosungen genießen sollte oder doch lieber kratzend und beißend die Gegenwehr starten müsste, verhielt ich mich still.
„Ich bring dich wieder nach draußen.“
Protestierend miaute ich, ich wollte nicht nach draußen. Ehe ich mich versah, schlossen sich die Glastüren hinter uns. Sie hatte mich nicht verstanden. Und offensichtlich keine Ahnung, was sie mit mir anstellen sollte. Schnell drehte sie mich um, ihr Blick wanderte zu meinen Hinterpfoten.
„Ein kleiner Kater. Keine Angst, dir passiert nichts.“
Sie drehte mich zurück.
Ich machte es mir in ihrer Hand bequem.
Die Glastüren gingen wieder auf. Ein Mann kam auf uns zu.
„Hey, was machst du mit der Katze? Die ist ja winzig.“
„Hallo, ich weiß es noch nicht. Hier auf dem Parkplatz lasse ich ihn nicht allein. Hier kommt mir der kleine Kerl unter die Räder.“
Der Mann fing an mich zu kraulen. „Ein kleiner Herr. Meine Freundin ist noch an der Kasse, sie ist fasziniert von dem Kätzchen.“
Schwups. Ich wurde weitergereicht.
Bevor ich es mir in seiner riesigen Hand gemütlich machen konnte, drückte er mich einer Frau in den Arm. Sie trug mich über den großen Platz.
Aufgeregt zappelte ich hin und her.
Wir stiegen in eine Blechkiste. Die Frau setzte mich auf ihrem Schoß ab.
Ich hielt meine Augen fest geschlossen und schnurrte leise. Aber in Wirklichkeit lauschte ich dem Gespräch aufmerksam.
Das Paar unterhielt sich über mich. Ob sie mich mit nach Hause nehmen sollten.
Ich riss meine Augen so weit auf, wie ich nur konnte, und hypnotisierte sie. Was für eine Frage, natürlich wollte ich mit.
Nach Langem für und wider entschieden sie sich, mich mitzunehmen.
 
Bedauerlicherweise gaben sie mir den Namen Lidl.
Wohl nach dem Glaskasten, in dem wir uns getroffen haben.